Die Qual mit der Wahl: Herausforderungen moderner Wahlforschung
Bedenken über die Qualität von Meinungsumfragen sind so alt wie das Metier selbst, aber die Zeiten sind schwieriger geworden für die politische Meinungsforschung. Bei der niedersächsischen Landtagswahl 2013 beispielsweise hat keines der führenden Meinungsforschungsinstitute auch nur annähernd die tatsächlich erreichten knapp zehn Prozent der FDP vorhergesehen. Die Welt titelte damals „So verschliefen die Demoskopen den Trendwechsel“.Tatsächlich ist das Forschungsfeld in den letzten Jahren durch zwei Entwicklungen geprägt worden, die eng miteinander verknüpft sind.
Zum einen werden politische Einstellungen immer stärker durch tagesaktuelle und mediale Ereignisse geprägt: Wähler mit tief verwurzelten Bindungen an eine politische Partei werden immer seltener. Gleichzeitig wächst der Anteil von Wählern, die ihre Entscheidung erst kurz vor der Wahl treffen und ihre Stimme nach taktischen Erwägungen vergeben. Zum anderen hat der Einfluss von politischen Kampagnen und der Medienberichterstattung in dem Maße zugenommen, wie politische Einstellungen an Stabilität verlieren. Dabei wurde deutlich, dass massenmediale Ereignisse vor allem indirekt wirken, indem sie Wähler informieren, mobilisieren und die wahrgenommene Wichtigkeit politischer Probleme steuern. Damit trägt gerade die politische Prognoseforschung eine große Verantwortung, denn sie wird massenmedial sehr stark rezipiert.
DIE AUTOREN
Tobias Michael ist Director Ipsos Public Affairs, der Politik- und Sozialforschungnbei Ipsos. Gemeinsam mit seinen Kollegen entwickelte er den Ipsos Demokratiepuls.
Dr. Hans-Jürgen Frieß ist Associate Manager bei Ipsos UU, der qualitativen Forschungsabteilung bei Ipsos. Seit Jahren arbeitet er an der Kombination von qualitativen und quantitativen Ansätzen.