Heike Hüßmann, Nicoleta Machison | Ipsos
Heike Hüßmann, Nicoleta Machison | Ipsos

Warum Segmentierung nur mit Stakeholder-Engagement funktioniert

Interview mit planung&analyse zum Deeper Insights Day am 26.11.2025.

Kunden fordern heute komplexe, globale Segmentierungen – doch ohne klares Ziel und Stakeholder-Engagement bleibt ihr Potenzial ungenutzt. Im Vorfeld des Deeper Insights Day auf planung&analyse zeigen Heike Hüßmann und Nicoleta Machison, wie innovative Ansätze wie „Fuzzy-Segmente“ und KI-gestützte Tools Segmentierung strategisch aktivieren. Wer echten ROI will, muss Segmentierung als gemeinsames Projekt verstehen.

Mit welchen Segmentierungs-Anforderungen treten Unternehmen an Marktforschungsunternehmen heran und welche Herausforderungen ergeben sich dadurch bei den angefragten Marktforschungsunternehmen?

Heike Hüßmann: Unternehmen kommen heutzutage häufig mit hochkomplexen Segmentierungsanfragen zu uns Marktforschungsunternehmen. Diese Anfragen umfassen oft viele Stakeholder aus Bereichen wie Marketing, Produktentwicklung, Vertrieb und Kommunikation, die unterschiedliche Zielsetzungen verfolgen. Häufig wünschen Kunden einen globalen Ansatz, der gleichzeitig auch lokale Details berücksichtigt. Nicht immer ist die Zielsetzung von Anfang an klar, oft wird darauf hingewiesen, was bei vorherigen Segmentierungen nicht funktioniert hat, und man muss darauf basierend erst herausarbeiten, was eine erneuerte Segmentierung leisten können soll. Zudem sind die Anwendbarkeit und Implementierung mit einem starken Fokus auf Aktivierung eine wesentliche Herausforderung. Auch weil die Kosten einer Segmentierung im Vergleich zu anderen Studien hoch sind, muss der ROI klar ersichtlich sein.
Kurz: Die Integration und das richtige Verständnis der Bedürfnisse aller Stakeholder und eine klare Zielsetzung sind aus unserer Sicht die Haupterfolgsfaktoren für eine Segmentierung. Durch die Vielfalt der Anforderungen ist eine standardisierte Segmentierung häufig nicht nutzbar, sondern muss branchenspezifisch ausgearbeitet werden.

Was sind häufige Fehler bei der Segmentierung und wie können sie vermieden werden?

Nicoleta Machison: Ein häufiger Fehler bei der Segmentierung besteht darin, dass viel Zeit und Arbeit investiert wird, die Ergebnisse aber anschließend in Vergessenheit geraten. Die Segmentierung sollte strategische Entscheidungen im Unternehmen unterstützen. Fehlt von Anfang an eine Abstimmung zwischen den Stakeholdern, führen selbst präzise Segmentierungen am Ende nicht zu nützlichen Ergebnissen. Um dies zu vermeiden, sollte ein gemeinsames Verständnis – etwa durch einen gemeinsamen Workshop zum Kick-off – und Engagement – durch aktive Beteiligung des Kunden bei wichtigen analytischen Prozessschritten – unter allen Beteiligten sichergestellt werden.

Sind Segmentierungen über mehrere Märkte überhaupt sinnvoll?

Heike Hüßmann: Eine Segmentierung über mehrere Märkte hinweg kann sehr sinnvoll sein, insbesondere für globale Strategien, die effizientere Produktentwicklung und Vermarktungssteuerung ermöglichen. Die Auswahl der richtigen Länder und das Übertragen von Segmenten auf neue Märkte erfordert jedoch Erfahrung und ein strategisches Setup. Bei uns wird darauf geachtet, dass die Passung der Länder von Anfang an Teil des Segmentierungsprozesses ist und der Kunde eingebunden wird. So können unsere Kunden die Ergebnisse besser verstehen, effektiv nutzen und die Segmentierungen erfolgreich auf weitere Länder übertragen. Das gleiche gilt zum Beispiel auch für eine Verkettung von B2C- und B2B-Segmentierungen, die immer häufiger parallel angefragt und durchgeführt werden.

Ist eine Segmentierung auch für B2B möglich?

Heike Hüßmann: Natürlich lassen sich B2B-Segmentierungen durchführen, dieses Segment ist in der Tat stark wachsend. Eine effektive B2B-Segmentierung bringt einige Herausforderungen mit sich, die es zu lösen gilt. Erstens die Datenqualität und -verfügbarkeit: Im B2B-Bereich sind hochwertige Daten oft schwieriger zu beschaffen als im B2C-Sektor. Wir arbeiten hier zum Beispiel häufig mit einer Verquickung von eigenen Daten aus Datenbanken und neu erhobenen Daten. Und wir können inzwischen auch die Expertise von Ipsos beim Einsatz von synthetischen Daten einbeziehen. Zweitens müssen komplexe Entscheidungsstrukturen berücksichtigt werden: B2B-Entscheidungsprozesse involvieren oft mehrere Personen oder Abteilungen. Die Segmentierung muss daher komplexe Entscheidungsstrukturen und -prozesse berücksichtigen. Drittens: B2B-Zielgruppen sind oft sehr heterogen, was eine Vielzahl von Segmentierungsansätzen notwendig macht, um den unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht zu werden. Hier haben wir spezielle Tools, um den Kunden bei der Fokussierung auf die wichtigsten Einflussfaktoren zu helfen. Schließlich können – viertens – Unterschiede zwischen Branchen und Ländern die Umsetzung von Segmentierungsstrategien verkomplizieren. Damit sind die Anforderungen bei globalen Segmentierungen hier noch schärfer zu fassen als im B2C Bereich.

Jetzt zum kostenlosen Webinar anmelden!

Können Sie ein Beispiel für innovative Segmentierungstechniken nennen?

Nicoleta Machison: Sehr oft betrachten wir Segmentierung als nicht überlappende Gruppen von Personen. Doch in manchen Fällen bieten überlappende Gruppen mehr strategischen Nutzen für Unternehmen, da sie spezifischere Bedürfnisse und Verhaltensweisen aufzeigen. Dabei sollte der explorative Teil der Segmentierung, der die Identifizierung dieser 'Fuzzy-Segmente' oder Konsumentenmodi betrifft, über Social Media oder qualitative Analysen stattfinden. Der quantitative Part dient dann der multi-dimensionalen Validierung und Quantifizierung dieser Konsumentenmodi.

In dynamischen Märkten, in denen Konsument:innen gleichzeitig mehrere Marken einer Kategorie nutzen – zum Beispiel FMCG oder Finanzmärkte in bestimmten Ländern, in denen Konsument:innen drei bis vier Bankkonten haben – ist es wertvoller zu verstehen, welche Aufgaben – Stichwort: ‚Jobs-to-be-done‘ – oder Nutzungssituationen, sowie komplementäre Einstellungen zur gleichzeitigen Nutzung mehrerer Marken führen. Diese 'Fuzzy-Segmente' oder Konsumentenmodi können gezielter durch Online-Werbung angesprochen werden, wodurch die Segmentierungsaktivierung effizienter wird.

Was ist die wichtigste Erkenntnis für die Teilnehmer:innen beim Deeper Insights Day?

Nicoleta Machison: „Ein verborgener Schatz nützt niemandem.“ Unabhängig von der Qualität der Segmentierung ist sie wertlos ohne das 'Buy-in' der Stakeholder. Dies bedeutet drei Aspekte: Die Segmentierung muss auf aktuelle Bedürfnisse und Herausforderungen der Stakeholder ausgerichtet sein. Alle sollten zur Segmentierung beitragen, durch Zwischengespräche und Entscheidungen bei den Analysenschritten und am Ende sollten die Ergebnisse sehr stark und kontinuierlich aktiviert werden: Mit klassischen Aktivierungstools wie Webinaren, Workshops, Allokation-Tools in weiteren Studien, sowie mit neuen, modernen, KI-gestützte Tools, etwa Persona Bots.
Und: Segmentierung bedarf Erfahrung! Man muss die Implikationen des eigenen Vorgehens kennen.

Jetzt zum kostenlosen Webinar anmelden!

Dieses Interview erschien am 8. Oktober 2025 bei planung&analyse. Das Gespräch führte Bettina Sonnenschein.

Ähnliche Inhalte