Gefühlter Wohlstand auf Rekordhoch – aber Zukunftsangst im Osten

Hamburg, 23. Oktober 2017. Der seit über fünf Jahren in Zusammenarbeit mit Zukunftsforscher Opaschowski erhobene Nationale WohlstandsIndex für Deutschland (Ipsos NAWI-D) zeigt im September einen neuen Rekordwert. 52 Prozent der Deutschen ab 14 Jahren stufen ihren persönlichen Wohlstand als hoch ein. Das sind ein Prozent mehr als bei der letzten Erhebung im Juni 2017 und 9 Prozentpunkte mehr als vor fünf Jahren.

Zwei der insgesamt vier Wohlstandsdimensionen, die der NAWI-D berücksichtigt, haben hauptsächlich zur Steigerung in den letzten fünf Jahren beigetragen. Der ökonomische Wohlstand ist um 11Prozentpunkte (von 39% auf 50%) und der individuelle Wohlstand um 10 Prozentpunkte (von 46% auf 56%) gestiegen. Dagegen verzeichnen der gesellschaftliche und der ökologische Wohlstand deutlich geringere Zuwächse.

Die häufig gehörte Aussage, dass sich breite Teile der Bevölkerung von der guten wirtschaftlichen Entwicklung der letzten Jahre in Deutschland abgehängt fühlen, können wir anhand unserer Daten nicht bestätigen“, so Hans-Peter Drews von Ipsos Observer, “in den letzten fünf Jahren ist der Anteil der Menschen, die angeben, sich mehr leisten zu können und  sichere Arbeitsplätze und Einkommen zu haben, kontinuierlich gestiegen.

Größerer Zukunftsängste im Osten der Republik

Das Wohlstandswachstum in den letzten Jahren fand sowohl in West- als auch in Ostdeutschland statt. Im September 2017 sind die Unterschiede im subjektiv empfundenem persönlichen Wohlstand eher gering. 52 Prozent im Westen und 49 Prozent im Osten (ohne Berlin) stufen ihren Wohlstand als hoch ein. Größere Unterschiede gibt es hinsichtlich der Zuversicht in die Zukunft. Im Westen bekunden aktuell 45 Prozent frei von Zukunftsängsten zu sein, im Osten (ohne Berlin) sind es 37 Prozent.

Materielle Zufriedenheit im Westen, individuelle Zufriedenheit im Osten

Ein Blick in die einzelnen Wohlstandsdimensionen des Ipsos NAWI-D zeigt einige Unterschiede. Die Bürger im Westen sind zufriedener mit ihren materiellen Möglichkeiten und der Sicherheit ihres Einkommens und Arbeitsplatzes. Sie sehen auch ihr gesellschaftliches Umfeld positiver. Sie vertreten stärker die Auffassung, dass Meinungsfreiheit und Toleranz herrschen und dass sich die Gesellschaft um das Thema Weiterbildung kümmert. Im Osten wird hingegen das engere Umfeld, insbesondere der Kontakt zur Familie und auch die Verbundenheit mit der Natur positiver bewertet. Man hat auch mehr Zeit für sich selbst.

Problemfall Großstädte im Osten

In den westdeutschen Bundesländern sind die Bewohner der Dörfer und Kleinstädte überproportional mit ihrem Wohlstand zufrieden, in den ostdeutschen Bundesländern sind es dagegen die Bewohner der mittelgroßen Städte (20.000 bis unter 100.000 Einwohner). Besonders unter den Menschen in ostdeutschen Großstädten (100.000 Einwohner und mehr, ohne Berlin) ist der individuell empfundene Wohlstand deutlich schwächer ausgeprägt. Das zieht sich durch den Großteil der gemessenen Wohlstandfaktoren, besondere Defizite sind jedoch bei den sozialen Kontakten festzustellen. Und viele ostdeutsche Großstädter geben an,  nicht dort zu leben, wo sie es möchten.

Berlin steht für ein starkes Miteinander

Dass Wohlstand für die Menschen nicht ausschließlich von ökonomischen Kriterien bestimmt wird, zeigt sich gut am Beispiel Berlin. Der NAWI-D (also der Gesamtwohlstand) liegt für die Berliner über dem Bundesdurchschnitt, der ökonomische Wohlstand dagegen darunter. Erklärt wird dieses Phänomen durch einen starken individuellen und gesellschaftlichen Wohlstand der Berliner. Dahinter stehen wiederum sehr starke soziale Kontakte zu Freunden und zur Familie, aber auch das Zusammenkommen mit Menschen aus anderen Kulturen. Berliner leben gefühlt in einer toleranteren Welt als der durchschnittliche Nicht-Berliner.

Berlin als Wohlstandsspitzenreiter

Steckbrief NAWI-D

Im Frühjahr 2012 konzipierte Ipsos Observer gemeinsam mit Zukunftsforscher Prof. Dr. Opaschowski ein neues Wohlstandsbarometer als Basis für einen umfassenden Nationalen Wohlstandsindex für Deutschland (NAWI-D), das seitdem kontinuierlich quartalsweise erhoben wird.

Studiensteckbrief der aktuellen Welle 2017

Methode:                                Ipsos Capibus Computer Assisted Personal Interviewing, im Haushalt des Befragten. random route – zufällig ausgewählter Haushalt und Befragungsperson

Stichprobe:                 2.000 Personen ab 14 Jahren

Grundgesamtheit:       Deutschsprechende Bevölkerung in Privathaushalten

Feldzeit:                      September 2017

 

Um belastbare Größen für die Aussagen zum Ost-West-Vergleich, Berlin und den Ortsgrößen zu erhalten, erfolgte diese spezielle Auswertung auf Grundlage kumulierter Daten von Dezember 2015 bis September 2017, n=16.000.

Für die Erhebungen zum Wohlstandsbarometer greift Ipsos Observer auf seinen eigenen bundesweiten Interviewerstab zurück, der erfahren in der Durchführung sozialwissenschaftlicher Studien mit anspruchsvollen Designs ist. Die Datenerhebung erfolgt mittels persönlicher Interviews in den Zielhaushalten im Rahmen der wöchentlichen CAPI-Mehrthemenumfragen.

Berechnung der Wohlstandswirklichkeit im Ipsos NAWI-D

Über bevölkerungsrepräsentative Vorbefragungen wurde eine Batterie von 30 Aussagen entwickelt, die das Thema Wohlstand aus Sicht der erwachsenen Wohnbevölkerung in Deutschland umfassend abdeckt. Diese 30 Aussagen wurden in wiederum bevölkerungsrepräsentativen Umfragen Bundesbürgern ab 14 Jahren vorgelegt. Die Bürger selbst entscheiden, welche dieser Aussagen für sie erfüllt sein müssen, um in Wohlstand zu leben. Die Einstufung, ob diese Aussagen für sie in der Realität erfüllt sind, erfolgt anhand einer 10er-Skala, die von 1 = „trifft für mich überhaupt nicht zu“ bis 10 = „trifft auf mich voll und ganz zu“ reicht. Sofern nicht anders aufgeführt, wird im Text auf die so genannten Top 3 - Werte bzw. deren Komplementärgröße zurückgegriffen. Der Top 3 - Wert zu einer Aussage enthält somit die Skalenwerte 8, 9 und 10. Dann wird die Aussage für den Befragten als ausreichend erfüllt angesehen. Bei den Werten 1 – 7 wird sie als nicht ausreichend erfüllt angesehen. Die bei jeder dieser 30 Aussagen gemessene Wohlstandswirklichkeit wird mit deren jeweiligen Bedeutung in Bezug gesetzt, d. h. gewichtet. Daraus werden für jede Wohlstandsdimension als auch für den Wohlstand insgesamt der NAWI-D berechnet.

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