Neuwahlen: Deutschland vor der Bundestagswahl 2025
Neuwahlen: Deutschland vor der Bundestagswahl 2025

Neuwahlen 2025 – 5 Gründe, warum es spannend bleibt

Themen, Trends & die wichtigsten Fragen vor der Wahl: Dr. Robert Grimm ist Politikwissenschaftler beim Markt-, Meinungs- & Sozialforschungsinstitut Ipsos – und er weiß, warum es sich trotz der offenbar klaren Tendenzen lohnt, weiter gut informiert & neugierig zu bleiben.

1.) Es scheint sicher, dass die Union (CDU/CSU) am 23. Februar das Rennen bei den vorgezogenen Neuwahlen macht & der nächste Bundeskanzler Friedrich Merz heißen wird. Oder?

Umfrageergebnisse und Meinungsbildung sind auch vom Tages- und Weltgeschehen abhängig und immer eine Momentaufnahme. 2021 schien die Union die Wahl zu gewinnen, doch am Ende hieß der Kanzler nicht Armin Laschet, sondern Olaf Scholz. Auch im aktuellen Wahlkampf liefert die Union aus Sicht vieler Bürger:innen bisher eine wenig inspirierende Perspektive, wie stagnierende Umfragewerte und nicht ausgeschöpfte Wählerpotenziale vermuten lassen. Das könnte verschieden Gründe haben: Da ist zum einen die Person Merz, die in der Bevölkerung weniger Unterstützung findet als z. B. der bayerische Ministerpräsident. Da ist das mangelnde Vertrauen in die Politik der Union: Immerhin wird den Schwesterparteien eine Mitschuld an der schlechten Situation Deutschlands gegeben, denn die Union war über viele Jahre unter Merkel in Regierungsverantwortung. Oder es liegt an der Uneinigkeit zwischen CDU und CSU über mögliche Regierungskonstellationen: Söder schließt eine Koalition mit den Grünen kategorisch aus, Merz will sich diese Machtoption offen halten. 

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2.) Warum ist die Fünf-Prozent-Hürde bei den Neuwahlen in Deutschland 2025 von so großer Bedeutung?

Welche Parteien nach der Wahl in den Bundestag einziehen, ist schon an sich eine interessante Frage. Schafft es die Linke mit drei Direktmandaten? Gelingt es dem BSW und der FDP? Dies ist auch deshalb von Bedeutung, weil sich daraus unterschiedliche Mehrheitsoptionen für die „großen“ Parteien ergeben: Denn mehr Parteien im Bundestag bedeuten zugleich einen geringeren Anteil von Sitzen für die Union oder die SPD.
 

3.) Wie wird die Bundestagswahl ausgehen & wie setzt sich die Regierung nach den Neuwahlen zusammen?

Die Positionierung der Parteien am Wahltag bleibt spannend. Derzeit sieht es so aus, als würden CDU/CSU den ersten Platz belegen. Doch welche Partei wird zweitstärkste Kraft im Land? Die AfD ist in einer guten Position, aber SPD und Grüne könnten noch ausreichend Energie aufbringen, um den Rechtspopulisten den Platz streitig zu machen. Ebenfalls offen: Der Wettstreit zwischen SPD und Grünen. Beide Ampelparteien wollen in der nächsten Bundesregierung wieder mitregieren. Im Idealfall bilden sie eine Zweierkoalition mit der Union. Damit das – nach jetzigen Umfragen – auch möglich ist, zählt jede Stimme.

Hier geht's zur aktuellen Sonntagsfrage.


4.) Welches ist das wichtigste Wahlkampfthema für die Neuwahlen & welche Lösungen bieten die Parteien?

Thematisch erleben wir vor allem einen wirtschaftspolitischen Wahlkampf: Alles dreht sich um Wachstum, De-Industrialisierung, Wohlstand und um „mehr Netto vom Brutto“. Die Stimmungslage in Deutschland sieht wie folgt aus: Die Deutschen machen sich zunehmend Sorgen um ihren Arbeitsplatz, weil immer mehr Unternehmen einen Stellenabbau ankündigen; zudem belegen die jüngsten amtlichen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit, dass sich die Dynamik auf dem deutschen Arbeitsmarkt abschwächt. Gleichzeitig scheint die Inflation nach wie vor nicht unter Kontrolle zu sein. Die Preise für Grundnahrungsmittel sind stark gestiegen, das spüren die Menschen. 
 



Die Lösungsansätze der im Bundestag vertretenen Parteien in Kürze: 
 

  • Die SPD will das soziale Netz stärken, verspricht Renten und Mindestlohn.
  • Union und FDP wollen liberalisieren und Bürokratie abbauen.
  • Die AfD verfolgt eine anti-europäische und protektionistische Politik.
  • Den Grünen liegt besonders die klimaneutrale Transformation am Herzen.

Auch bei der Rolle von Staat und Markt gehen die Ansätze der Parteien auseinander: Die einen fordern den Staat dazu auf, den Markt walten zu lassen. Die anderen sehen im Staat einen wichtigen Impulsgeber, der durch Subventionen und Investitionen der Wirtschaft zu Wachstum verhilft. Schließlich bleibt bei allen wirtschaftlichen Fragen ein großes Fragezeichen, wie sich die US-Präsidentschaft Donald Trumps auf die deutsche Exportindustrie, die große Erfolgsgeschichte des letzten Wachstumsschubs, auswirken wird.
 

5.) Neuwahl der Regierung in Deutschland: Welche weiteren Themen stehen auf der Agenda der Parteien & berühren auch die Anliegen der Bevölkerung?

Es muss eine Lösung für die Migrations- und Asylpolitik gefunden werden – auch hier gibt es auseinanderdriftende Positionen. Die Grünen nehmen in dieser Frage eine eher liberale Haltung ein. Die Union, zunehmend von der AfD getrieben, will eine deutlich härtere Migrationspolitik. Die AfD macht nach dem Parteitag „Remigration“ zum Programm.

Aber auch an anderen Baustellen gibt es Reformbedarf: Kranken- und Pflegeversicherung sind unterfinanziert, die Rentenfinanzierung steht auf wackeligen Beinen. Der Verteidigungsetat muss unbedingt erhöht und Deutschland 'kriegstüchtig' gemacht werden – auf 3,5 Prozent des BIP nach Habeck, auf 5 Prozent nach Trump. Investitionen in die Infrastruktur sind ebenfalls dringend erforderlich – Straßen, Schienen & Digitales. Das Bildungssystem in Deutschland hinkt im internationalen Vergleich und im Verhältnis zur deutschen Wirtschaftskraft hinter anderen Ländern hinterher. In Ballungszentren gibt es kaum bezahlbaren Wohnraum und den Traum von Wohneigentum kann sich nur noch eine Minderheit leisten. Wer all diese Baustellen finanzieren soll – diese Frage wirft weitere auf.
 

Einer Reform der Schuldenbremse wird man nicht aus dem Weg gehen können.

An Sozialausgaben zu sparen ist ein politisches Pulverfass, wie man in Frankreich sieht. Als Trend ist bereits sichtbar, dass Sozialabgaben wie Kranken- und Pflegeversicherung steigen. Ob auch Steuern steigen oder neu erhoben werden – die 'Reichensteuer', höhere Steuern auf Kapitalanlagen, eine Erbschaftsteuer: All dies wird nach der Neuwahl die nächste Regierung lösen müssen.
 

Zu guter Letzt: Warum eigentlich 'Neuwahlen' und nicht einfach nur 'Wahlen'?

Jede Wahl ist eine Neuwahl – auch jede, die im normalen Turnus von vier Jahren abgehalten wird. Was jetzt vor uns liegt, ist eine „vorgezogene Neuwahl“. Die kann nur stattfinden, wenn der Bundestag vorzeitig durch den Bundespräsidenten aufgelöst wurde, das ist am 27. Dezember 2024 nach dem Aus der Ampelkoalition geschehen.

Es ist ein Schritt, der ausdrücklich in unserem Grundgesetz vorgesehen ist und in der jüngeren Geschichte bereits mehrmals gegangen wurde: 1972, 1982 – in dem Jahr sogar zwei Mal – 2001 und 2005. Die vorgezogene Neuwahl ist also selten, aber nicht ungewöhnlich. Interessant und herausfordernd ist die knappe Zeit für den diesjährigen Wahlkampf.

Mit Ipsos und unseren Lösungen bleiben Sie bestens informiert und sind den politischen Entwicklungen immer einen Schritt voraus.
 

Zum Autor

Dr. Robert Grimm promovierte an der Manchester Metropolitan University in Soziologie. Seit 2016 leitet er die Politik- und Sozialforschung beim Markt-, Meinungs- und Sozialforschungsinstitut Ipsos in Deutschland. Davor war er Senior Fellow und Mitbegründer der Denkfabrik Policy Evaluation und Research Institute in Manchester. Robert Grimm ist außerdem Gastprofessor für Social Policy an der Manchester Metropolitan University.

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