Weltflüchtlingstag: Wachsende Offenheit und Hilfsbereitschaft gegenüber Geflüchteten

Hamburg, 17. Juni 2022. Vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges ist die Akzeptanz und Hilfsbereitschaft der Deutschen gegenüber Geflüchteten deutlich gestiegen. Laut einer anlässlich des Weltflüchtlingstags in 28 Ländern durchgeführten Studie des Markt- und Meinungsforschungsinstituts Ipsos zeichnet sich in Deutschland im Vergleich zu den Vorjahren ein gänzlich positiveres Stimmungsbild ab. Nicht nur die Offenheit gegenüber der Aufnahme von geflüchteten Menschen nimmt hierzulande zu, sondern auch der Optimismus, dass deren Integration in die neue Gesellschaft erfolgreich gelingen kann. Gleichzeitig wird seltener die Skepsis geäußert, dass Ausländer, die in der Bundesrepublik Zuflucht und Asyl suchen, in Wahrheit nur aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland kommen wollen.

Mehr Akzeptanz fürs Asylrecht, weniger Skepsis gegenüber Geflüchteten
Mehr als drei Viertel (78%) aller Bundesbürger halten es grundsätzlich für richtig, dass Menschen die Möglichkeit haben sollten, in Deutschland Zuflucht zu suchen, um vor Krieg oder Verfolgung zu fliehen. Damit ist die allgemeine Zustimmung zum Grundrecht auf Asyl im Vergleich zur Vorjahresbefragung (71%) deutlich um sieben Prozentpunkte angestiegen. Gleichzeitig denken immer weniger Deutsche, dass die meisten Schutzsuchenden tatsächlich nur aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland kommen. In der diesjährigen Befragung äußert nur noch knapp die Hälfte (51%) der Befragten diese Skepsis, fünf Prozentpunkte weniger als im Vorjahr (56%) und sieben Prozent weniger im Vergleich zum Jahr 2020 (58%).

Mehr Glaube an Integration, weniger Forderungen nach Grenzschließung
Auch der Glaube an eine erfolgreiche Integration von Geflüchteten hat in den letzten beiden Jahren stark zugenommen. Vor zwei Jahren war lediglich ein Drittel (35%) der Befragten davon überzeugt, dass die Integration der meisten Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, gelingen wird. 2021 stieg dieser Anteil bereits auf 41 Prozent, in der aktuellen Befragung zeigt sich sogar fast jeder zweite Bundesbürger (49%) zuversichtlich. Im Umkehrschluss fordern zurzeit auch deutlich weniger Deutsche (32%) eine vollständige Schließung der Grenzen für flüchtende Menschen – ein Rückgang um zehn Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr.

Refugee Day 22
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Aufnahmebereitschaft variiert je nach Fluchtgrund und Nationalität
Allerdings erfahren nicht alle Schutzsuchenden das gleiche Maß an Toleranz und Unterstützung. Während immerhin sechs von zehn Deutschen (60%) eine verstärkte Aufnahme von Menschen befürworten, die vor Krieg oder einem gewaltsamen Konflikt fliehen, sinkt die Akzeptanz bei Klimaflüchtlingen bereits deutlich. Weniger als die Hälfte der Befragten (46%) würden es unterstützen, wenn Deutschland mehr Menschen aufnehmen würde, die vor einer Naturkatastrophe oder den Auswirkungen des Klimawandels fliehen.

Bei Fluchtgründen, die persönliche Charakteristika betreffen, fällt die Aufnahmebereitschaft noch geringer aus. Nur etwa jeder Dritte befürwortet eine erhöhte Aufnahme von ausländischen Personen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität (37%), ihres Geschlechts (36%), ihrer politischen Meinung (35%), ihrer Volkszugehörigkeit, Ethnie oder Nationalität (35%) oder ihrer Religion (33%) in Deutschland Zuflucht suchen. 

Danach gefragt, inwieweit man die Aufnahme von mehr Flüchtlingen aus bestimmten Ländern mit starken Fluchtbewegungen unterstützen würde, wird die außergewöhnlich große Solidarität der deutschen Zivilbevölkerung mit den Menschen aus der Ukraine deutlich. Sechs von zehn Bundesbürgern (60%) befürworten eine vermehrte Aufnahme von Ukrainerinnen und Ukrainern, die vor dem Krieg in ihrer Heimat fliehen. Bei anderen krisengebeutelten Nationen wie Syrien (31%), Afghanistan (29%), Myanmar (27%), Venezuela (25%) oder dem Südsudan (23%) sinkt die Aufnahmebereitschaft der Deutschen um ein Vielfaches.

Große Hilfsbereitschaft für Geflüchtete aus der Ukraine
Folgerichtig hat sich seit der russischen Invasion in die Ukraine auch das Engagement der Zivilbevölkerung für Geflüchtete merklich erhöht. Mehr als jeder dritte Hilfeleistende (37%) aus Deutschland hat sich in den letzten zwölf Monaten zum ersten Mal ehrenamtlich für geflüchtete Menschen eingesetzt. Fast die Hälfte (49%) war laut eigener Aussage besonders durch die Lage in der Ukraine motiviert. Nur ein Viertel (24%) derjenigen Befragten, die im letzten Jahr Flüchtlingshilfe geleistet haben, taten dies auch in der Vergangenheit schon regelmäßig. 

Methode
Die Ergebnisse stammen aus der Ipsos Global Advisor-Studie »World Refugee Day. Global attitudes towards refugees«. Bei der Online-Umfrage wurden zwischen dem 22. April und 6. Mai 2022 20.505 Personen aus 28 Ländern interviewt. In Kanada, Malaysia, Südafrika, der Türkei und den USA waren die Befragten zwischen 18 und 74 Jahren alt, in den anderen 23 Ländern zwischen 16 und 74 Jahren.

In Australien, Brasilien, China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada, Spanien und den Vereinigten Staaten wurden jeweils etwa 1.000 Personen befragt. In Argentinien, Belgien, Chile, Indien, Kolumbien, Malaysia, Mexiko, Niederlande, Peru, Polen, Saudi-Arabien, Schweden, Schweiz, Südafrika, Südkorea, der Türkei und Ungarn umfasste die Stichprobe jeweils circa 500 Personen. 

In 17 von insgesamt 28 untersuchten Ländern können die Stichproben als repräsentativ für die erwachsene Bevölkerung unter 75 Jahren angesehen werden: Argentinien, Australien, Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada, Niederlande, Polen, Schweden, Schweiz, Spanien, Südkorea, Ungarn und USA. 

Die Stichproben in Brasilien, Chile, China, Indien, Kolumbien, Malaysia, Mexiko, Peru, Saudi-Arabien, Südafrika und der Türkei sind städtischer, gebildeter und/oder wohlhabender als die Allgemeinbevölkerung und sollten so betrachtet werden, dass sie die Ansichten der stärker "vernetzten" Bevölkerungsgruppe widerspiegelt.

Die Daten werden so gewichtet, dass die Stichprobenzusammensetzung jedes Landes das demografische Profil der erwachsenen Bevölkerung gemäß den neuesten Volkszählungsdaten am besten widerspiegelt.

Wenn die Ergebnisse sich nicht auf 100 aufsummieren, liegt das an Rundungen durch die computer-basierte Zählung, erlaubten Mehrfachnennungen oder dem Ausschluss von „weiß nicht/keine Angabe“ Nennungen. 
 

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