Voices of Europe: Ein Aufruf zum Wandel
Nach dem Europatag enthüllt EuroPulse eine wichtige Wahrheit: Die meisten Menschen befinden sich in der hoffnungsvollen, frustrierten Mitte und lehnen die EU nicht ab, sondern fordern sie auf, sich zu verbessern.
Nach dem Europatag am 9. Mai widmen wir uns der Zukunft der Europäischen Union und ihren Auswirkungen auf das Leben ihrer Bürger:innen. Angesichts der Weiterentwicklung der EU ist es wichtiger denn je, die öffentliche Meinung zu verstehen. Aktuelle Daten des Ipsos EuroPulse (unterstützt von KnowledgePanel) zeichnen ein differenziertes Bild und bieten eine wertvolle Gelegenheit, die Union an die Bedürfnisse und Wünsche der Europäer:innen anzupassen.
Um die Zukunft der EU zu sichern, müssen ihre Politiker das Vertrauen der „beweglichen Mitte“ gewinnen, die Demokratie verteidigen und Fortschritte erzielen. Dabei müssen sie sich nicht nur von einer ideologischen Vision leiten lassen, sondern auch von der Stimme ihrer Bürger:innen.
– Christine Tresignie, Leiterin Public Affairs Europa bei Ipsos
"Das Vertrauen der beweglichen Mitte gewinnen" von Christine Tresignie
Chance, die „bewegliche Mitte“ zu überzeugen

Etwa jede:r fünfte Europäer:in (17 %) unterstützt die Europäische Union und ihre derzeitige Funktion uneingeschränkt, während eine kleine Minderheit (7 %) entschieden gegen die EU ist. Zwischen diesen beiden Gruppen liegt die „bewegliche Mitte“: 70 % der Befragten sind entweder unterstützend, aber unzufrieden (44 %) oder skeptisch, aber offen für Veränderungen (26 %). Dieses große, überzeugbare Segment bietet eine entscheidende Chance für Engagement: Ihnen liegt die EU am Herzen, sie streben aber sinnvolle Reformen an. Um die öffentliche Unterstützung zu erhalten und zu stärken, muss die EU auf die Anliegen dieser Gruppe hören und ihre Fähigkeit unter Beweis stellen, sich weiterzuentwickeln, Ergebnisse zu liefern und Vertrauen aufzubauen.
Was den Europäer:innen am wichtigsten ist

Die Ergebnisse zeigen, dass die Verteidigung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit für die Europäer:innen oberste Priorität hat: 28 % stufen sie als ihr wichtigstes Anliegen ein, 61 % zählen sie zu den drei wichtigsten Themen. Dicht gefolgt von der Förderung von Wirtschaftswachstum und Innovation, die 19 % als wichtigstes Thema und 56 % insgesamt zu den drei wichtigsten Themen zählen. Dies unterstreicht die Sorge der Öffentlichkeit um politische Integrität und wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit.
Nicht weit dahinter folgen Umweltschutz und Ernährungssicherheit (für 47 % zählen sie zu ihren drei wichtigsten Prioritäten) sowie die europäische Verteidigung und Sicherheit (46 %) als gemeinsame sekundäre Prioritäten, was die doppelte Sorge der Bürger:innen um die Sicherheit des Planeten und ihre eigene widerspiegelt. Themen wie soziale Gerechtigkeit und Inklusion (34 %), EU-Governance und -Haushalt (32 %) sowie globale Partnerschaften (24 %) erscheinen in der öffentlichen Meinung weniger dringlich, genießen aber dennoch hohes Ansehen.
Diese Erkenntnisse legen nahe, dass sich die EU, um die Erwartungen der Öffentlichkeit zu erfüllen, auf eine dreigliedrige Agenda konzentrieren muss: Schutz der Demokratie, Stärkung der Wirtschaft und Gewährleistung sowohl der ökologischen als auch der physischen Sicherheit.
Konkurrierende Visionen für 2035

Die öffentliche Meinung zur Zukunft der Europäischen Union ist geprägt von Reformwillen und ehrgeizigen Zielen. Die am meisten befürwortete Vision ist eine Reduzierung der Macht der EU (30 %), was auf eine starke Präferenz für Dezentralisierung und mehr nationale oder lokale Entscheidungsfindung hindeutet. Dicht dahinter folgt jedoch eine Stärkung der Macht der EU (28 %), fast ebenso viele Bürger:innen stellen sich also eine stärkere und zentralisiertere EU vor.
Ein kleinerer Teil (15 %) bevorzugt den Status Quo , während 11 % für eine vollständige Integration in die EU durch eine einheitliche europäische Regierung plädieren. Nur 6 % unterstützen eine Ablehnung der EU, was bestätigt, dass die offene Opposition nach wie vor begrenzt ist.
Diese Ergebnisse zeigen eine vielfältige, aber engagierte Öffentlichkeit , wobei sich ein erheblicher Teil zwischen denjenigen aufspaltet, die eine stärker national ausgerichtete EU anstreben, und denjenigen, die eine tiefere Integration befürworten. Dies unterstreicht die Bedeutung von Flexibilität, Reaktionsfähigkeit und einem inklusiven Dialog für die Gestaltung der Entwicklung der EU bis 2035.
Das Vertrauen der „beweglichen Mitte“ gewinnen
Von Christine Tresignie
Betrachten wir die Ergebnisse von EuroPulse, fällt eines auf: Die meisten Menschen sind nicht gegen die EU, aber sie unterstützen sie auch nicht uneingeschränkt. Sie liegen irgendwo in der Mitte, hoffnungsvoll, aber frustriert. Sowohl zahlenmäßig als auch inhaltlich ist diese Gruppe die wichtigste. Sie kümmern sich. Sie sind aufmerksam. Und sie fordern Veränderungen.
In dieser „beweglichen Mitte“ wird die Zukunft der EU entschieden. Um voranzukommen, muss die EU auf die Akteur:innen hören und in den für sie wichtigsten Bereichen handeln. So könnte das aussehen:
- Mit Menschen sprechen, die sich Veränderungen wünschen. Die stille Mehrheit nicht ignorieren, sie ansprechen, Fragen stellen und dranbleiben.
- Weiterhin die Werte der EU fördern. Demokratie, Rechtsstaatlichkeit sowie persönliche und ökologische Sicherheit sind keine abstrakten Werte, sondern das, was den Menschen wichtig ist.
- Echte Ergebnisse zeigen. Ob es um Arbeitsplätze, Klima oder Ernährungssicherheit geht – die Menschen wollen Taten sehen, nicht nur Pläne.
- Den Dialog fortsetzen. Die Menschen wollen mitbestimmen, wohin sich die EU entwickelt. Die EU sollte diesem Wunsch bei jedem Schritt Raum geben.
Die Daten sagen uns viel, aber vor allem erinnern sie uns daran, dass Vertrauen nicht durch Pläne oder Berichte entsteht. Es entsteht durch Taten und ehrliche Beziehungen. Genau das ist die EU, die sich die Bürger:innen wünschen.