Deutsche fühlen sich von Eliten abgehängt, neigen aber weniger zu Populismus als andere Nationen

Eine klare Mehrheit der Bundesbürger (61%) hält die Gesellschaft in Deutschland für zerrüttet, so das Ergebnis einer aktuellen Umfrage des Markt- und Meinungsforschungsunternehmens Ipsos. Lediglich 13 Prozent der Befragten widersprechen dieser Aussage. Dennoch zeigen sich in Deutschland weitaus weniger populistische, anti-elitäre und anti-migrantische Tendenzen als in den meisten anderen Ländern.

Global gesehen nimmt in 16 von insgesamt 25 befragten Nationen eine Mehrheit der Menschen eine starke gesellschaftliche Spaltung wahr, besonders häufig jedoch in Südafrika (74%), Ungarn (72%) und Brasilien (72%). 

Große wahrgenommene Kluft zwischen Normalbürgern und Elite
Dennoch glaubt auch hierzulande eine Mehrheit der Bevölkerung an eine Gesellschaft der Eliten: Zwei von drei Befragten (66%) sind beispielsweise der Überzeugung, dass das Wirtschaftssystem in Deutschland zugunsten der Reichen und Mächtigen manipuliert ist. Knapp drei Viertel (73%) glauben zudem, dass Politiker immer einen Weg finden, um ihre Privilegien zu schützen. Viele Deutsche haben darüber hinaus den Eindruck, dass sich die Elite nicht für hart arbeitende Menschen interessiert (64%) und dass Experten in diesem Land nicht die Lage von Menschen wie ihnen selbst verstehen (53%). 

Folgerichtig stimmen knapp zwei Drittel der Befragten (64%) der Aussage zu, dass die größte Kluft in der deutschen Gesellschaft zwischen normalen Bürgern und der politischen sowie wirtschaftlichen Elite besteht. Entsprechend klein ist der Anteil der Befragten, die sich selbst zur Elite Deutschlands zählen: Lediglich 14 Prozent ordnen sich selbst zumindest bis zu einem gewissen Grad der Elite zu. Jeder zweite Deutsche (49%) sieht sich „definitiv nicht“ als Teil der Elite. 
 

Broken System


Mehrheit für Volksabstimmungen, aber gegen starken Anführer
Angesichts dieses ausgeprägten Anti-Elitarismus stoßen auch in Deutschland populistische Einstellungen durchaus auf Zuspruch: Sechs von zehn Deutschen (59%) haben zum Beispiel den Eindruck, dass sich traditionelle Parteien und Politiker nicht um Menschen wie sie kümmern – ein Anstieg um sechs Prozentpunkte seit 2016. Mehr als jeder Zweite (53%) findet außerdem, dass die wichtigsten politischen Themen direkt vom Volk über Referenden und nicht von den gewählten Vertretern entschieden werden sollten.

Einen „starken Anführer, der das Land von den Reichen und Mächtigen zurückerobert“ (36%) und „bereit ist, Regeln zu missachten“ (23%) wünscht sich dagegen nur eine Minderheit. In allen anderen befragten Ländern ist die Sehnsucht nach einer starken Führungsfigur deutlich größer als in Deutschland.

Geteilte Meinungen über Auswirkungen von Einwanderung
Fast jeder Vierte (22%) glaubt nach wie vor, dass Immigranten „echten Deutschen“ die Arbeitsplätze wegnehmen. Rund vier von zehn Bundesbürgern (38% | -6 seit 2016) vertreten die Ansicht, dass Deutsche in Zeiten von Arbeitsplatzmangel auf dem Arbeitsmarkt bevorzugt behandelt werden sollten. Im weltweiten Vergleich ist diese abgrenzende Haltung der Deutschen damit allerdings weitaus schwächer ausgeprägt als in den meisten anderen Ländern – im globalen Durchschnitt stimmen dieser Aussage 57 Prozent der Befragten zu. 

Was die allgemeinen Auswirkungen von Einwanderung auf die Gesellschaft betrifft, sind die Deutschen geteilter Meinung: 36 Prozent der Befragten denken, dass Deutschland stärker wäre, wenn die Einwanderung komplett gestoppt würde. Etwa ebenso viele (37%) stimmen dieser Aussage jedoch nicht zu. 

Methode
Die Ipsos Global Advisor-Studie ›Broken-System Sentiment in 2021. Populism, Anti-Elitism and Nativism‹ wurde in 25 Ländern weltweit über das Ipsos Online Panel-System durchgeführt. Zwischen dem 26. März und dem 09. April 2021 wurden 19.017 Interviews mit Erwachsenen im Alter von 18 bis 74 Jahren in Kanada, Malaysia, Südafrika, der Türkei und den USA und zwischen 16 und 74 Jahren in allen anderen Ländern durchgeführt. Die Daten wurden gewichtet, um dem Profil der Bevölkerung zu entsprechen.

Zu den untersuchten Länder gehören Argentinien, Australien, Belgien, Brasilien, Chile, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada, Kolumbien, Malaysia, Mexiko, Niederlande, Peru, Polen, Russland, Schweden, Spanien, Südafrika, Südkorea, Türkei, Ungarn und die USA.

In 16 der 25 untersuchten Länder ist die Internetdurchdringung ausreichend hoch, um die Stichproben als repräsentativ für die breitere Bevölkerung in den abgedeckten Altersgruppen zu betrachten: Argentinien, Australien, Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada, Niederlande, Polen, Schweden, Spanien, Südkorea, Ungarn und USA. 

Die neun verbleibenden untersuchten Länder weisen eine geringere Internetdurchdringung auf. Die Stichprobe dieser Länder repräsentiert eher die wohlhabende und gut vernetzte Bevölkerungsgruppe, die aber eine wichtige gesellschaftliche Rolle hat und die aufstrebende Mittelschicht verkörpert.

Für diese Studie gab es keine externen Sponsoren oder Partner. Sie wurde von Ipsos mit der Absicht initiiert und durchgeführt, etwas zum tieferen Verständnis der Welt, in der wir leben und der Gefühle der Menschen auf dieser Welt beizutragen.

 

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