Politische Meinungslage in Deutschland (September bis Dezember 2023)

Jeden Monat erhebt das Ipsos Institut für Politik- und Sozialforschung die Wahlabsichten und die Zufriedenheit der Wahlberechtigten mit deutschen Politiker:innen, die Wichtigkeit und den Polarisierungsgrad politischer Themen in der Bevölkerung sowie das Wählerpotenzial und die Wählerbindung der im Bundestag vertretenen Parteien. In diesem Report haben wir die politische Meinungslage in Deutschland mit einem besonderen Fokus auf den Zeitraum zwischen September und Dezember 2023 im Zeitverlauf zusammengefasst und grafisch aufbereitet. Sämtliche Daten wurden in unabhängiger Eigenforschung durch Ipsos erhoben und ausgewertet.

Bundestag

Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

Nachdem zu Beginn des Jahres bei der Sonntagsfrage noch ein ungefähr gleiches Kräfteverhältnis zwischen Regierung und Opposition herrschte, liegt die Opposition seit Mai deutlich vor der Ampelkoalition und kann diesen Vorsprung auch im letzten Drittel des Jahres noch weiter ausbauen. Bereits im August trennten Opposition und Ampel 13 Prozentpunkte und im Dezember hat sich dieser Vorsprung auf seinen bislang höchsten Wert von 20 Prozentpunkten erhöht. Während die Opposition mittlerweile 55 Prozent der Wähler:innen von sich überzeugen kann, würden nur noch 35 Prozent eine der drei Ampelparteien wählen.

Diese Entwicklung wird zumindest zu einem großen Teil durch Gewinne der AfD getrieben, die seit Mai 2023 5 Prozentpunkte hinzugewonnen hat und mit zuletzt 21 Prozent seit Juli vor SPD und Grünen durchgängig die zweitstärkste Kraft bildet. Stärkste Kraft bleibt im gesamten Jahr 2023 zudem stabil die Union, die sich seit Oktober noch einmal stetig steigern konnte und das Jahr mit 29 Prozent abschließt. SPD und Grüne verzeichnen währenddessen 2023 leichte Verluste, halten sich jedoch seit August recht stabil, wobei die SPD stets leicht vor den Grünen liegt. Zuletzt trennen die beiden Parteien drei Prozentpunkte, wobei die SPD 16 Prozent der Wähler:innen von sich überzeugen kann und die Grünen 13. FDP und Linke können ihre Wählerschaft ebenfalls auch im letzten Drittel des Jahres auf niedrigem Niveau relativ stabil halten.

Erstmals wurde für diesen Report zudem in einer offenen Frage der Hauptgrund erhoben, der die Wähler:innen dazu bewegt, eine bestimmte Partei zu wählen. Hier zeigt sich, dass die Anhängerschaften von SPD, Union und FDP diese Parteien vor allem deshalb wählen, weil sie diese jeweils ganz generell als die kompetenteste unter allen Parteien wahrnehmen. Bei den Wäher:innen der FDP findet sich zudem als einzige Partei das Thema Wirtschaft und Finanzen mit 13 Prozent unter den Top 3 genannten Wahlgründen. Für die Grünen-Wäher:innen liegt das Hauptwahlmotiv mit 28 Prozent derweil im Klimaschutz – einem Thema, das es bei den Wähler:innen keiner anderen im Bundestag vertretenen Partei unter die Top 3 schafft. Die AfD wird indessen am häufigsten aufgrund von Unzufriedenheit mit anderen Parteien gewählt. 38 Prozent der AfD-Wähler:innen geben dies als ihr Hauptmotiv an. Wähler:innen der Linken wählen diese zudem am häufigsten, weil sie sozialpolitische Anliegen vertritt. Ein Fünftel (20%) der Linken-Wähler:innen nennen diesen Grund als Hauptmotiv.

Die Analyse der Wählerbindung der Parteien seit der Bundestagswahl 2021 zeigt zudem, dass SPD und FDP seitdem rund die Hälfte und auch Grüne und Linke etwa ein Drittel ihrer ehemaligen Wählerschaft verloren haben. Die Union kann circa Dreiviertel ihrer ehemaligen Wähler:innen halten. Deutlich hervor sticht derweil die AfD, die seit der letzten Bundestagswahl nahezu keine Verluste davonträgt. 90 Prozent derjenigen, die 2021 die AfD gewählt haben, hätten dies auch zwischen September und Dezember 2023 getan.

Die Ampelparteien verlieren darüber hinaus nicht nur bezüglich ihrer Wählerbindung, sondern auch beim erweiterten Wählerpotenzial. Während sich zwischen September und Dezember 2022 noch 41 Prozent der Wahlberechtigten vorstellen konnten, die SPD zu wählen, können dies ein Jahr später nur noch 32 Prozent. Bei den Grünen ist ein ähnlicher Verlust von 36 auf 26 Prozent zu erkennen und auch bei der FDP fällt das erweiterte Wählerpotenzial im Vergleich zum Vorjahr von 26 auf 22 Prozent. Auf dem ersten Platz hält sich auch hier ähnlich wie bei der Sonntagsfrage trotz leichten Verlusten seit Beginn 2023 stabil die Union mit einem erweiterten Wählerpotenzial von zuletzt 37 Prozent. Die Linke bleibt mit weiteren Verlusten auch im letzten Drittel des Jahres auf dem letzten Platz hinter der FDP. Zuletzt können sich nur noch 17 Prozent vorstellen, die Partei zu wählen. Die einzige Partei, die Gewinne davonträgt, und sich im Vergleich zum Vorjahr von 22 auf 26 Prozent der Wahlberechtigten steigern kann, ist die AfD.

Unverändert sind außerdem weitaus mehr Menschen sehr unzufrieden als sehr zufrieden mit der Arbeit von Olaf Scholz als Kanzler und der Regierung als Ganzes. Während sich zu Beginn des Jahres noch eine relative Stabilität auf niedrigem Niveau abzeichnete, fällt die Zufriedenheit mit dem Kanzler und der Ampelregierung seit Mai 2023 deutlich, wobei Scholz das gesamte Jahr über allerdings leicht besser bewertet wird als die Regierung als Ganzes. Im Dezember 2023 ist nur noch jeweils weniger als ein Viertel der Wahlberechtigten zufrieden mit Scholz bzw. der Regierung und weniger als 10% geben an, sehr zufrieden zu sein.

Auch bei der Bewertung der Arbeit der einzelnen Minister:innen überwiegt die Unzufriedenheit deutlich. Bei der Netto-Zufriedenheit bewegt sich im November 2023 nur Verteidigungsminister Boris Pistorius mit einem Wert von 0 nicht im negativen Bereich und bleibt somit mit Abstand der beliebteste Minister. Mehr als jede:r Vierte (27%) gibt an, sehr zufrieden mit seiner Arbeit zu sein. Mit deutlichem Abstand dahinter folgt Arbeitsminister Hubertus Heil mit einem Zufriedenheitswert von -25. Finanzminister Christian Lindner liegt zudem mit einer Netto-Zufriedenheit von -35 leicht vor Außenministerin Annalena Baerbock und Wirtschaftsminister Robert Habeck, die jeweils einen Netto-Wert von -36 bzw. -37 verzeichnen. Auf den letzten Platz rutscht derweil Innenministerin Nancy Faeser, die innerhalb eines Jahres 24 Zufriedenheitspunkte verloren hat und mit deren Arbeit nur noch 7 Prozent der Wahlberechtigten sehr zufrieden sind. Deutlich mehr als die Hälfte (58%) geben hingegen an, sehr unzufrieden mit ihrer Arbeit zu sein. Neben ihr verlieren im Vergleich zum Vorjahr jedoch auch alle anderen Kabinettsmitglieder deutlich auf der Zufriedenheitsskala.

Während bei der Frage nach dem wichtigsten politischen Thema die Inflation bis Oktober 2023 für 19 Monate in Folge mit klarem Abstand am häufigsten als wichtigstes Thema genannt wurde, liegt das Thema Migration seit November 2023 gleichauf mit der Inflation. Beide Themen werden von jeweils 16 Prozent der Wahlberechtigten als am wichtigsten eingestuft. Damit hat das Thema Migration auch das Thema Klima-, Umwelt- und Artenschutz eingeholt, welches über viele Monate hinweg als das zweitwichtigste Thema in Deutschland hinter der Inflation betrachtet wurde.

Die drei Themen unterscheiden sich dabei jedoch deutlich in ihrem Polarisierungsgrad. Das Thema Inflation ist nicht polarisiert und ähnlich hohe Anteile der Anhänger:innen aller Parteien empfinden das Thema als sehr wichtig (Polarisierungsgrad 8 auf einer Skala von 0 bis 100). Ob Klimaschutz und Einwanderung als wichtig erachtet werden, hängt hingegen stark von der Parteipräferenz ab. So spielt das Thema Klimaschutz insbesondere für Unterstützer:innen der Grünen eine Rolle, jedoch deutlich weniger für die der anderen Parteien (Polarisierungsgrad: 46 von 100). Ähnlich ist es beim Thema Einwanderung, das insbesondere von Anhänger:innen der AfD als wichtig erachtet wird (Polarisierungsgrad: 41 von 100).

Informationen zur Methodik der Studie befinden sich zusammen mit sämtlichen weiteren Studienergebnissen im kostenlos downloadbaren PDF-Report.

 


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